This is (not) the end – Friedhof als Reallabor

Projektbeschreibung
Friedhöfe gehören ganz selbstverständlich zu unseren Städten, als Trauerorte, Gedenkstätten und Grünflächen. Aber genauso wie sich Städte und ihre Bewohner:innen verändern, so wandeln sich auch Friedhöfe und unser Blick auf sie. Im Rahmen einer Projektwoche haben 25 Studierende des Studiengangs Kommunikationsdesign der HTW Berlin den Alten St.-Matthäus-Kirchhof in Berlin-Schöneberg als Reallabor genutzt und haben sich mit dem Jetzt und den möglichen Zukünften von Friedhöfen gestalterisch-konzeptionell auseinandergesetzt.

Dabei wurde die Rolle von Friedhöfen für verschiedene Nutzer:innen und deren sich verändernde Funktionen angesichts geografisch verstreuten Familien, digitaler Trauerarbeit und abnehmendem Interesse an kirchlichen Strukturen. Sie erkundeten auch die zukünftigen Funktionen von Friedhöfen, insbesondere in Bezug auf Rituale, Erinnerungskulturen, Gemeinschaften, Ökologie, Architektur und Stadtplanung sowie das Erzählen von Geschichten. 

Die Ergebnisse wurden in einer abschließenden Ausstellung präsentiert, die Fragen und Überlegungen der Projektwoche in Form von Visualisierungen, Texten und Artefakten sammelte und Besucher:innen zu Dialog und Teilhabe einlud.

Ehre, wem Ehre gebührt?
Die Ernennung eines Grabes zum Ehrengrab durch das Land Berlin würdigt bedeutende Persönlichkeiten, indem deren Erhalt und Pflege übernommen werden. Das Team widmete sich über eine Woche der Frage, wer geehrt wird und wer über die Relevanz entscheidet, sowie der Transparenz bei der Einrichtung von Ehrengräbern. Bei ihrer Recherche zu bestehenden Gräbern auf dem Alten St.-Matthäus-Kirchhof und in Gesprächen mit der Senatskanzlei wurden diese Fragen vertieft. Besucher:innen konnten sich über den Nominierungsprozess informieren und eigene Vorschläge für Ehrengräber beim Berliner Senat einreichen.

Wo liegen wir, wenn wir tot sind?
Der filmische Portrait ‚No 2‘ widmet sich der Frage nach der Zukunft von Friedhöfen, Mausoleen und Monumenten. Es zeigt, wie immer mehr Menschen durch Grabpatenschaften die Vergangenheit und Zukunft gestalten. Die Studierenden begleiten Wolfgang Schindler auf dem Alten St.-Matthäus-Kirchhof, wo er die zweite Grabpatenschaft zu Lebzeiten übernommen hat. Der Film bietet Einblicke in Schindlers Gedanken zu Leben und Tod und wirft größere Fragen über die gesellschaftliche Rolle von Friedhöfen und unser persönliches Verhältnis zu Orten der Trauer und Erinnerung auf.

Wie erzählt der Friedhof?
Friedhöfe sind reich an biografischen Informationen, die persönliche und emotionale Geschichten erzählen und in ihren historischen Kontext eingebettet sind. Sie können als Gesamttext betrachtet werden, der über verschiedene Text- und Bildfragmente neue Geschichten vermittelt. Die räumlichen Nachbarschaften auf Friedhöfen schaffen unerwartete Verbindungen und eröffnen einen Raum für freies Erzählen und Fantasie. Angeregt durch Überlegungen zur Erzählstruktur von Friedhöfen und zu deren räumlicher und poetischer Dimension, entwickelten Studierende eine spielerische Installation. Diese lädt Besucher:innen dazu ein, den Alten St.-Matthäus-Kirchhof auf eine neue Weise zu erkunden und zu lesen.

Was erzählen uns die Bäume?
Die ursprünglich als Grabschmuck gepflanzten Bäume auf dem Alten St.-Matthäus-Kirchhof sind zu kräftigen Bäumen herangewachsen, die die Zeitlichkeit des Ortes und sein Potenzial als Naturraum unterstreichen. In der Projektwoche haben sich Studierende mit dem ökologischen Mehrwert dieser Bäume beschäftigt und untersucht, wie deren Pflege und Planung zur Förderung des Friedhofs als innerstädtisches Ökosystem beitragen kann. Eine Ausstellung kartografiert und fotografiert die Bäume des Friedhofs und zeigt Ergebnisse aus Gesprächen mit Gärtner:innen und Besucher:innen über Lieblingsbäume, -orte sowie Pflege- und Instandhaltungsstrategien.

Wie ist der Friedhof gestaltet?
Ein Besuch auf dem Friedhof weckt oft Neugier auf die Geschichten der dort bestatteten Menschen. Doch jenseits davon offenbaren die Formen, Farben und Gestaltungsstile der Grabsteine sowie ihre Materialien und Schriftarten viel mehr. Die Studierenden haben die visuellen und architektonischen Elemente des Alten St. Matthäus-Kirchhofs detailgenau erfasst. Ihre Ausstellung lädt Besucher:innen ein, diese Aspekte genauer zu betrachten und darüber nachzudenken, wie ihre eigene Grabstätte oder ihr Friedhof gestaltet sein könnte.

Welche Wege führen über den Friedhof?
Friedhofsbesuche können von Trauer, Gedenken, Neugier oder Entspannung motiviert sein, und viele Besucher:innen haben persönliche Lieblingsrouten und -orte. Die Studierenden haben sich mit diesen individuellen Perspektiven beschäftigt und ein visuelles Archiv des Alten St.-Matthäus-Kirchhofs erstellt. Mithilfe von Karten, die Besucher:innen mit Zeichnungen und Notizen versehen haben, wird eine Vielzahl von Eindrücken gesammelt. Dieses Archiv lädt (neue und alte) Besucher:innen ein, den Friedhof aus neuen Perspektiven zu erleben.